Samstag, 6. August 2011

Mirëdita, Dobar Dan


Hallo ihr Lieben,

mit etwas Verzögerung spendieren nun auch wir einen verkackten Blog der Menschheit. Dass wir erst jetzt schreiben, liegt nicht etwa – wie böse Zungen behaupten könnten – an unserer Faulheit. Eher waren die ersten 79 Stunden, 15 Minuten und etwa 30 Sekunden, so erlebnisreich, dass wir einfach nicht zum Schreiben gekommen sind. Da auch unser temporärer Speicher begrenzt ist, dachten wir, öffnen wir mal unser Hirn und geben die resultierenden Entladungen der Öffentlichkeit preis.


Puuh, wir sind da …

Nach 23 Stunden Busfahrt durch traumhafte Landschaft und der einen oder anderen balkanischen Geschichte von der Liebe und dem Leben sind wir wohlauf und ohne größere Probleme in Prishtina angekommen. Es war ziemlich schockierend zu sehen, wie viel auf kosovarischer Seite zerstört wurde. Unter hunderten von neuen Ziegelrohbauten, die allmählich aus der wüsten Landschaft wachsen, war kein einziges, welches den Anschein gemacht hätte, länger als zehn Jahre dort zu stehen.

Vor allem in den Städten scheint es auf dem ersten Blick so, als wolle man die Vergangenheit schnellst möglich vergessen. Das Nebeneinander von Tradition und krass westlichem Einfluss schafft ein extrem schizophrenes Stadtbild. Hier parken Rikschas zwischen fetten Mercedeslimousinen, Kinder verkaufen gegrillten Mais vor einem Juweliergeschäft, zwischen glänzenden Glasfassaden internationaler Finanzdienstleiter ragen Minarette, aus deren Megaphone alltäglich der orientalische Singsang wabert und zum Gebet ruft. Allgemein wird der muslimische Glaube aber recht locker praktiziert. Des Mannes Schweinefleisch – und Alkoholkonsum ist vor allem vom schlechten Gewissen gegenüber seiner Frau abhängig. Allgemein sind wir bisher auf viele, viele, freundliche offene, fürsorgliche Menschen getroffen, welche einen wunderbaren Eindruck hinterlassen haben




Wirklich da?


Von dem beschaulichen Rahovec trennten uns nochmals 1,5 Stunden Autofahrt auf verstopften Straßen. Zur Erklärung der kosovarischen Fahrweiße sagte unser Fahrer Adnan nur: ein Auto ohne Hupe ist schlimmer als eins ohne Bremse. Die Autofahrt war sehr symbolträchtig bezüglich unserer Achterbahn der Gefühle, die wir gerade durch machen.
Nachdem wir dann im Jugendzentrum ankamen, die aktuellen Freiwilligen, Judith und Franziska trafen, und wir erst einmal schön von den Kinnings beim Kickern fertig gemacht wurden, überwog vor allem die Neugierde auf das Kommende. Als  angekommen würden wir diesen Zustand jedoch nicht nennen.



Wasser, wir brauchen Wasser …

Da helfen weder Gewalt noch Zärtlichkeit. Wenn der Wasserhahn nicht will, dann will er nicht. Während er sich die ersten Tage noch dazu gemüßigt fühlte, den ein oder anderen eiskalten Tropfen zu spenden, hatte er heute komplett Feierabend. Zwar hatten wir heute Morgen noch die ultimative Möglichkeit einer warmen Dusche (wir waren zu Besuch bei einer Freiwilligen in Prishtina). Wir waren jedoch beide der Meinung , dass man seine kostbare Zeit lieber für höhere  Ziele nutzen sollte.  Mit der Erkenntnis, dass man vielleicht doch nicht auf die obligatorische Körperpflege am Morgen hätte verzichten sollen, wuchs auch die Vorfreude nach einem doch recht schweißfördernden Tag endlich den eigenen Körper von seiner dezent riechenden Dunstglocke zu befreien. Die Enttäuschung, dass dies heute nicht so einfach geht, war für alle Beteiligten nur schwer zu verkraften.


PS: seit etwa einer Stunde ist auch der Widerstand des Wasserhahns gebrochen, ihm war wohl sicher auch zum kotzen.


Vielleicht habt ihr schon einen kleinen Einblick bekommen, was die nächsten 13 Monate so unser Leben umrahmen bzw. ausmachen wird. Es werden sicherlich noch viele neue Aspekte dazukommen. Wir werden versuchen so viel wie möglich Erlebnisse, Erfahrungen, Geschichten und Informationen hier zu dokumentieren, es fällt aber jetzt schon schwer alles zu fassen. Deswegen gilt wie immer, am besten ihr kommt uns besuchen und schaut selber.

Für uns geht’s morgen für 3 Wochen in unsere Gastfamilien. Dort haben wir dann auch die Möglichkeit unsere Sprachkenntnisse von „armselig“ auf „Speisekartenübersetzer“ anzuheben.


Euch allen eine schöne Zeit in Deutschland und wo ihr sonst so überall steckt.

Do videnja! (Heute mal auf Serbisch – musste ich leider nachschlagen )

Ach ja und Fottos kriegt ihr demnächst auch noch

Liebe Grüße von Sarah und Sebastian.